petra paul

et al.



QUE(E)RSCHNITT

Die in Wien lebende Künstlerin Petra Paul zeigt in den Räumen von Kultur unter der Brücke einen Überblick über ihr Werk. Zu sehen sind Fotografien, Werke mit Texten, Objekte sowie Menstruationsblutbilder. Dadurch, dass die Künstlerin scheinbar verschiedenartige Arbeiten zeigt, entsteht der Eindruck einer Gruppenausstellung einer einzelnen Künstlerin. Die diversen Medien schließen einander aber nicht aus, sondern durchdringen bei einen genaueren Blick einander.

 

Petra Paul experimentiert mit verschiedenen Medien, wie Wachs, Fotografie, Menstruationsblut, traditionell gemaltes Tafelbild, Collage, Assemblage, anagrammatische Zusammensetzung von zerstückelten Fotografien. Die Schau in den ehemaligen Räumlichkeiten Brücke-Druckerei zeigt im ersten Raum Fotografien und Fotografien mit Text, was wiederum zu Objekten mit Text führt. Der zweite Raum ist konzentriert auf das Menstruationsblut. Informelle Menstruationsblutbilder, Bilder, in denen Blut und Text kombiniert sind, ein Werk, das sich mit FGM auseinandersetzt und Miniaturmenstruationsblutmuseen zieren die Wände.

 

Fotografische Ausdrücke

 

Bekannt ist Petra Paul vor allem durch ihre Fotografien, in denen sie sich mit den Kategorien Weiblichkeit und Männlichkeit auseinandersetzt und somit die biotisch begründete Dualität der Geschlechter hinterfragt.

In dieser Schau zeigt sie erstmals abstrakte Fotografien, die seit den 1990er Jahren entstehen. Durch Verfremdung bzw. manuelle Bearbeitung des Negativmaterials entstehen Bilder, welche die Fantasie der BetrachterInnen zu weitreichenden Assoziationen wachruft. Sie zeigen eine Affinität mit Weltraumformationen, fiktiven Milchstraßen, Unterwasserwelten oder biologisch-mikroskopische Strukturen. Diese Transformation von einer Wirklichkeit stellt die Möglichkeiten der manuellen Bearbeitung von Negativmaterial und deren anschließende Bearbeitung in der Dunkelkammer in den Vordergrund. Die Transformation von Wirklichkeit ins fotografische Bild, die Abbildhaftigkeit der Umwelt durch den Akt des Fotografierens steht in dieser Serie nicht zur Debatte, da das fotografische Bild nur als einen Ausschnitt aus der äußeren Welt definiert werden kann.

Die Künstlerin dagegen schafft irreale und fiktive Welten, die aufgrund von Assoziation wiederum auf eine scheinbar reale Ebene gehoben wird. Mimesis und simultane Präsenz – ureigenste Domänen der Fotografie – werden negiert. Diese demonstrative Aufhebung der gewohnten Dingbeziehungen werden durch Eingriffe ins Material geschaffen. Scheinbar verborgene Wirklichkeiten und Welten werden enthüllt. Irrationales wird berührt und Verborgenes wird in dieser Bilderwelt sichtbar. Das Bild wird zu einer eigenen, neuen Realität – einer eigenen Wirklichkeit. Es handelt sich dabei um Fotografien, die durch eine direkte Veränderung der Negativschicht ohne Kamera entstehen. Diese unwirkliche Wirklichkeit sucht Inhalte und nicht Abbilder. Es wird eine neue Welt geschaffen, als ein Objekt, das selbst ist. In der Straßenbahnserie hat die Künstlerin Worte der Ge- und Verbote in Straßenbahnen neu miteinander kombiniert, wie: „Zug hält, um Zugluft zu vermeiden!"

Die Texte stehen auf Fotografien von einer Straßenbahn, die aber nicht auf den ersten Blick erkenntlich ist, da das belichtete Fotopapier mit einem in Entwickler getauchten Pinsel in gestischer Weise bearbeitet wurde. Spritzer, Linen und Flecken lassen somit die Fotografie auf dem Papier erscheinen, an anderen Stellen bleibt das Bild der Straßenbahn aber unsichtbar. Diese informelle Malerei auf dem Fotopapier stellt keine fest umrissenen Formen dar, sondern entsteht spontan, rhythmisch und offenbart gleichermaßen den Schaffensprozess der Künstlerin. Der Gegenstand, das Motiv ist einerseits nicht von Bedeutung, das rein abstrakte oder ungegenständliche Bild gilt es herzustellen, andererseits gibt das Bild gleichzeitig Reales, nämlich die Straßenbahn, wieder. Nach der Formauflösung kommt es an manchen Stellen wieder zu Formbildungen. Fotografie mit Text kombiniert verweist somit auf Objekte, in denen mit Worten und Buchstaben gespielt wird bzw. auf Fotografien, die Porträts zeigen, welche aber verfremdet sind, dadurch, dass sie zerrissen und neu zusammengesetzt wurden. Im Sinne von Anagrammen schafft die Künstlerin Fotoanagramme. Statt Buchstaben setzt sie die Bildteile neu zusammen. 

 

 

Wortspiele 

 

Eine Wand stellt Objekte mit Worten und Buchstaben aus. Ein T entsteht aus dem Material Tee und ein H wir aus Haar gebildet. Ein Stück Stoff auf Papier geklebt verweist auf das Wort Kleb-Stoff.                                                        

Eine andere Arbeit setzt sich in humoristischer Weise mit dem berühmten Haar in der Suppe auseinander: Aus einer Schachtel für Suppenwürfel fällt nicht Essbares heraus, sondern dichtes Haar.

Die abgekürzte Form von Telefonnummer, nämlich die Buchstaben TEL klebte die Künstlerin auf ein Schachbrett, wodurch der Begriff SCHACH-TEL entsteht.

Wortneuschöpfungen werden beim Scrabblespiel gebildet. Petra Paul klebte die Buchstaben auf das Brett und setzt sich spielerisch mit der maskulinen Sprache auseinander. Hier eine paar Möglichkeiten einer weiblichen Sprache: Aus Fauvismus wird Frauvismus, aus Monstrum wird Mannstrum aus Mangel Manngel oder aus Fauna Frauna. Es wurden aber auch Worte erfunden, die nicht direkt im Zusammenhang mit der männlichen Sprache stehen: Mastudieren statt Mastubieren oder Queerschnitt statt Querschnitt – der Titel der Ausstellung.

Petra Paul reagiert darauf, dass Frauen in dem wichtigsten Medium überhaupt, in der Sprache, kaum präsent sind. Sprache wird gegen Frauen verwendet, um sie sprachlos zu machen bzw. wird Gewalt mit sprachlichen Mitteln gegen Frauen ausgeübt. Linguistinnen, die im Bereich der feministischen Sprachkritik tätig sind, stellten schon früh fest, dass die meisten Sprachsysteme patriarchalisch geprägt sind, d.h. dass in Sprachen mit Genussystemen sowie auch in Sprachen ohne grammatikalische Genera eine Ungleichbehandlung von Frauen stattfindet. Frauen haben somit nicht die gleichen Chancen des Gemeintseins wie Männer und werden durch Sprache abgewertet, diskriminiert und ausgegrenzt. Die feministische Sprachreflexion im deutschsprachigen Raum wurzelt in der neuen Frauenbewegung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre. Die Forscherinnen versuchten herauszufinden, was die weibliche Identität konstituiert. Dabei wurden u.a. die sozialen Phänomene Sprache und Sprechen ins Zentrum der weiblichen Selbstfindung gerückt, die Frage nach einer weiblichen Identität verknüpfte sich mit dem Thema: Sprache der Frauen. In den späten siebziger Jahren führte dieses feministische Interesse dann zur feministischen Sprachwissenschaft. Petra Paul setzt sich in erster Linie mit dem Thema Frau auseinander bzw. geht es ihr um das Aufzeigen der Diskriminierungsmechanismen, welchen die Frau in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft ausgeliefert ist.

 

 

Tabu Menstruation

 

Informelle Bilder macht sie monatlich mit einem von ihrem eigenen Körper produzierten Werkstoff – nämlich Menstruationsblut, wodurch sie auf das Negativtabu Menstruation aufmerksam macht und öffentlich zeigt, was in unserer Gesellschaft üblicherweise im Verborgenen bleiben soll.

Frauen werden wegen der Menstruation, Schwangerschaft und Geburt als minderwertig angesehen. Künstlerinnen – besonders feministische – haben sich mit ihrem Körper auseinandergesetzt, aber das Thema Menstruation wurde nur selten thematisiert, obwohl es doch eine spezifisch weibliche Thematik ist. Diese Sprachlosigkeit zeigt, dass die alten Berührungsängste noch immer tief in der Gesellschaft verinnerlicht sind. Die Frauen stehen somit immer noch negativ ihrem eigenen Körper gegenüber. Eine der ersten, die dieses Thema öffentlich zeigte, war Judy Chicago in dem Bild „Red Flag" aus dem Jahre 1971. Diese Lithografie zeigt eine Hand, die einen blutigen Tampon aus der Vagina zieht. Kunstwerke mit Menstruationsblut machen u. a. Heather Weathers oder Penelope Benton und Ani DiFranco singt über Menstruation in ihrem Lied „Blood in the Boardroom". Das Thema ist tabuisiert, obwohl die Blutung über 50% der Gesamtbevölkerung betrifft. Erste Haarlocken oder Milchzähne der Tochter werden als Andenken aufgehoben, nicht aber der erste Blutstropfen als wichtiger Übergang vom Mädchen zur Frau. Der Umgang mit Menstruation in unserer Gesellschaft zeigt sehr deutlich die Werbung für Hygieneprodukte. Saugstärkere Binden und Tampons zeigen die gesellschaftliche Forderung zur Verbergung des Vorgangs.

Worte wie Freiheit, Sicherheit oder Zuverlässigkeit werden mit den Produkten in Verbindung gebracht und die Frauen zeigen sich aktiv, sportlich und jugendlich. Keine Frau windet sich vor Schmerzen, sondern alle strahlen, als ob überhaupt nichts sei. Sauberkeit und Diskretion stehen im Vordergrund. Alles wird getan, um die Zeit der Menstruation so unauffällig wie möglich zu gestalten. Es wird im Verborgenen menstruiert, diskret und privat. Schmerzmittel und Medikamente gegen PMS machen Frauen genauso funktionstüchtig, als ob sie ihre Menstruation nicht hätten. Es gibt Forschungstendenzen, die monatliche Blutung medikamentös zu unterdrücken, da die modernen Karrierefrauen nicht mehr bluten wollen. 

Die negative Einstellung zum eigenen Körper bzw. zu natürlichen Körpervorgängen ist weit verbreitet. Petra Paul sieht die Menstruation als Symbol einer Verletzung, als monatlich blutende Wunde, welche der Frau durch eine patriarchale Herrschaft zugefügt wurde, da sie u. a. dadurch unterdrückt wird. Helmot nannte die weibliche Blutung monatliche Blödigkeit, Richard Kraft-Ebbing stellte die Menstruation als periodisches Irrsein dar. Im Matriarchat gab es Menstruationsriten und die Blutung wurde positiv bewertet, erst das Patriarchat verhängte über die Menstruation ein Negativtabu. Die Frau wurde als unrein angesehen und dem unreinen Blut wurde das heilbringende männliche Blut Christi entgegengestellt. Durch das Fertigen abstrakt-strukturierter Bilder aus Menstruationsblut will die Künstlerin erstens öffentlich auf das Thema aufmerksam zu machen und zweitens durch ästhetische Werke die Negativität des Themas umkehren. Der Farb-Rhythmus der Bilder wird durch Strukturen des Materials ausgedrückt. Das einzelne Werk hat seine einmalige Sprache, die schwer mit Worten zu beschreiben ist. Die Bilder rufen keine Erinnerung hervor und enthalten keinen Hinweis auf die sichtbare Wirklichkeit.

Die Bilder wirken allein durch die Farbe und die Formen. Eine Formgestaltung wurde bewusst und konsequent abgelehnt. Kraft und energiegeladene Flächen beherrschen fleckhaft die Bildträger. Ein Menstruationsblutbild wird zu einem Stadtplan mit u. a. Straßennamen oder Parkbezeichnungen aus den drei Städten Wien, Venedig und Berlin. Ausgehend von den Menstruationsblutbildern fertigte Petra Paul kleine gerahmte Räume, in denen sich Figuren in einer Ausstellung befinden und kleine Menstruationsblutbilder an der Wand betrachten.

Somit beobachten BetrachterInnen diese Figuren beim Besichtigen der Bilder. In einem Werk setzt sich die Künstlerin mit dem Gräuel der Klitorisbeschneidung auseinander, indem sie Fotografien mit einer rostigen Rasierklinge und Blut kombinierte.

Petra Paul setzt Form, Material und Gestaltungsprozesse vielschichtig ein und führt Charakter und Eigenschaften der von ihr verwendeten Materialien zu bestimmenden Komponenten der Gesamtwirkung eines scheinbar differenten Werks zusammen.

 

Paula Artner: Que(e)rschnitt, in: [sic!] Forum für feministische GangArten, Nr. 48, März 2004. Wien 2004, S. 16-17.