petra paulet al.EINFACH WEG strip – no body for nobody nennt die in Wien lebende Künstlerin petra paul eine Serie von Wandobjekten. Ihre Ausstellung ist vom 4. März bis zum 15. April im Frauencafé zu sehen. Eingewachste Kleidungsstücke verweisen auf einen Stillstand des Augenblicks – einen Zeitpunkt nach dem Akt des Entkleidens.
Seit rund zwei Jahren beschäftigt sich die Künstlerin mit dieser Serie. Anfänglich wurden die Kleidungsstücke noch auf eine Holzplatte gewachst. Eine traditionelle Bildhaftigkeit der Werke wurde damit verstärkt zum Ausdruck gebracht. Mit der Zeit löste petra paul das Gewand vom Bildträger und hängte es auf Kleiderhaken an die Wand. Slip, BH, Unterkleid, Strumpf werden als typisch weibliche Kleidungsstücke assoziiert und mit „Striptease" in Verbindung gebracht. petra paul zeigt aber auch Bekleidung aus dem männlich Konnex, wie ein Herrenunterhemd oder eine Krawatte, um auf die Fiktionalität geschlechtsspezifischer Kleiderordnung hinweisen, die durch Gestik, Mimik und Körperhaltung unterstrichen werden. Im Vorgang des Loslösens von Bildträgern wirken die Kleidungsstücke verlassen. Der voyeuristische, männliche Blick auf die Frau wird gebannt. Blickbeschreibungen
Kaplan (1) schreibt im Zusammenhang mit dem männlichen Blick in Bezug auf die Filmbetrachtung von den Mechanismen des Voyeurismus und des Fetischismus. Frauenbilder werden sexualisiert. Frauen werden zum Objekt des männlichen Blicks, welcher die Macht von Handeln und Besitzen innehält, was dem weiblichen Blick fehlt. Teresa de Lauretis schreibt dazu: „The representation of woman as spectacle - body to be looked at, place of sexuality, and object of desire..." (2) Frauen werden angesehen, erwidern den Blick, können aber nicht damit „handeln", weil dieser männliche Blick ein possessiver ist. Im Rahmen der Ausstellung wird dieser Blick der Inbesitznahme verunmöglicht. Dies geschieht ironischerweise ein einem Ort, der vor männlicher Inbesitznahme a priori ausgeschlossen ist. Weiblichkeit bedeutet Verstellung, Verhüllung, Maske und führt bei petra paul zu einer Dekonstruktion der traditionellen (Selbst)Darstellung in extremster Weise, da der weibliche Körper nicht mehr präsent ist. Elisabeth Bronfen beschreibt in ihrem einleitenden Essay zum Fotobildband „Frauen sehen Frauen” einen durchaus weiblichen Blick. Durch Fokussierung auf das Sujet Frau, wahrgenommen von Frauen, wird sichtbar, wonach die feministische Theorie bereits lange sucht: nach dem weibliche Blick. „Frauen kennen Frauen besser", meint Bronfen. „Nicht der Reiz des Anderen, sondern der Reiz des Ähnlichen wird im Bild festgehalten." (3) Frauen gehen ihrer Meinung nach nicht gänzlich anders mit der Darstellung der weiblichen Gestalt um als Männer, aber es gibt eine spezifische Betrachtungsweise von Frauen. Bronfen unterscheidet zwischen Abbildungen der Beziehung zwischen Mutter und Tochter, weiblicher Subversion der männlichen Sehweise, dem vertrauten Blick auf den eigenen Körper im Selbstporträt, erotischen Aktaufnahmen, sowie Darstellungen weiblicher Autorität als Femmage in diversen Medien, welche ein breites Spektrum weiblicher Selbstdefinition vor und hinter der Kamera sichtbar werden lässt. Der nackte, entblößte weibliche Körper wird aber im Rahmen der Ausstellung von petra paul nicht zur Schau gestellt. Lediglich die starre, wie eingefroren wirkende Kleidung verweist signitiv darauf. petra pauls Wandobjekte sind somit Repräsentationen, respektive Signifikationen von Vergangenem, die sich im Gegenwärtigen neu anordnen, als Stillstand des Augenblicklichen, Vorübergehenden. Eingefrohrene Formationen „Heißes Wachs, tropfend, die Zeit ver-rinnt; [...] Der Prozess des Werdens in seinem kontemplativen Aspekt ist wesentlich für die Rezeption der Wachsbilder petra pauls. Durch das Abtropfen der Flüssigkeit, das sich über mehrere Stunden erstrecken kann, entstehen Formationen, die in ihrer abstrakten Qualität den Gedanken an den Stillstand des Augenblicks assoziieren. Der auf der Bildfläche erstarrende Wachstropfen bildet innerhalb einer winzigen Zeitspanne eine sich selbst konstituierende Gestalt. Durch das Nebeneinander der geronnenen Formen entstehen Kompositionen, die im Sinne einer Momentaufnahme auf diesen Bruchteil von Zeit verweisen, und so die besondere Bedeutung, die diesem Moment innewohnt, betonen." (4) Verschiedene strukturelle Elemente – die Struktur der Kleidung mit den Falten der Stoffe und die Struktur, welche durch das tropfende Wachs entsteht – korrespondieren miteinander. Verschiedene Abstände zwischen dem Objekt und der Kerze beim Tropfen erzeugen verschiedene Formationen. Die Arbeiten entstehen, während die Objekte am Boden liegen, wodurch die Künstlerin Einfluss auf die Faltenbildung und Gestalt nehmen kann. Die Werke sind eher monochrom gestaltet, nur durch den Ruß des Dochts entstehen farbliche Unterschiede, die schattenartig die Oberfläche differenzieren. Dadurch entsteht eine klare, einfache, fast schon unpersönliche, pathoslose, antiemotionelle Formsprache. Die Faltenerzeugen eine reale Tiefe, während dagegen das Wachs eine fiktive Tiefe suggeriert. Die Werke zeichnen sich durch Einfachkeit, formimmanente Kohärenz und durch eine auf das Wesentliche konzentrierte Rigorosität aus. Die Objekte sind orange, blau, rosa, violett gestaltet - interessant ist dadurch die Hängung der Werke im Frauencafé: Ein Unterhemd in Orange paßt sich scheinbar der orangefarbenen Wand des Cafés an, während sich ein blauer BH als komplementärer Kontrast davon abhebt. Durch das bewegungslose, regellose Hängen der Kleidung an der Wand, wird deren Dinglichkeit, Materialität, Objektartigkeit, Körperlichkeit und skulpturaler Wert betont. Die anonym vorgefertigte Form der Kleidung kann durchaus im Sinne von Ware verstanden werden, die soziale und ökonomische Bedingungen der Kunst in der Medienlandschaft aufgreift. Diese anonym vorgefertigte Form fungiert als Kontrast zur individuellen und subjektiven Verarbeitung mit Wachs und Farbe. Es entsteht eine Spannung zwischen alltäglicher Gegenständlichkeit und ästhetischer, dekorativ formaler Ausführung der Werke. Die stille Poesie, die dingliche Emotionalität ist mit physisch-empirischer Präsenz verbunden. Diese haptische Objektkunst erscheint in Stabilität, folgt einer inneren, eigenen Logik, Ordnung und immanenten Struktur. Die scheinbare Monotonie erlaubt es der Künstlerin das Irrationale zu visualisieren. petra paul verändert die Dinge, reißt sie aus dem ursprünglichen Kontext und gibt den Gegenständen einen neuen, ihnen nicht innewohnenden Charakter. Das Gewand, welches durchaus im Sinne von objets trouvés gesehen werden kann, ist Rohmaterial und all over mit Wachs überzogen. Das Wachs fungiert als Überzug, als applizierte Haut, ist aber dennoch mit den Stoffasern sosehr verbunden, dass es als eine mit dem materiellen Träger identische Substanz erscheint. Die formale und materielle Einfachheit der Objekte und ihre Statik verstärken die Wahrnehmung der Dinghaftigkeit und der physischen Präsenz. Der eigenständige Status der Arbeiten wird durch diese Präsenz hervorgehoben. Gestaltungsphasen
Auch in anderen Werken nimmt die Künstlerin, nach einer kurzen abstrakten Phase, in der sie sich mit der puren Materialität von Wachs auseinandersetzte, Gegenstände aus der sie umgebenden Dingwelt. Beispielsweise gestaltete sie mit Federn eine vaginale Form, welche violett eingewachst wurde. Die dadurch entstandene Struktur visualisiert eine Affinität zur Schambehaarung. Die Federn wurden aus ihrem gewohnten Zusammenhang gerissen und durch ihre Versetzung verfremdet, was den früheren rationalen Sinn entwertet. In einem anderen Bild, welches den Titel Crash trägt, kombinierte petra paul Objekte, die nach einem Autounfall am Boden liegenblieben sind und stellte so auf einer Holzplatte den Crash nach. Grünes und rotes Wachs umhüllen die Gegenstände und fixieren sie auf den Bildträger. Unterschiedliche Realitäten, Physikalitäten wie Glas, Kunststoff und Metall treffen sich auf einer fremden Fläche aufeinander. Teilweise ragen die vorgefundenen Dinge aus dem Bild, ein Aspekt, den die Künstlerin in einem nächsten Schritt weiterentwickelte, indem sie auf den Bildträger verzichtete, wie in der im Frauencafé gezeigten Serie. Wahrnehmungskonstruktion als Bildinterpretation
Die Künstlerin setzt sich in der Werkgruppe strip – no body for nobody mit der Problematik des Frauenbildes, welche in der Bildhaftigkeit patriarchaler Vorstellungen liegt, die der Frauen eine Rolle als Sexualobjekt zuweist, auseinander. Feministische Theorien werden in diesen Arbeiten somit indirekt visualisiert. Frauenbilder stellen nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in der Werbung und in den Massenmedien sexualisierte Objekte des männlichen Blicks dar. Im Zuge der zweiten Frauenbewegung wurden nicht nur die misogynen, sexualisierten und sexualisierenden Darstellungen von Frauen kritisiert, sondern auch der Bildcharakter, welcher der Frau zugeschrieben wird. petra paul lässt die Frau als Bild nicht zu, indem sie den Körper eliminiert. Viele Künstlerinnen – darunter besonders viele feministische – haben einen neuen Ort der Einheit für den fragmentierten und als Ware dargestellten Körper gesucht, wobei behauptet wurde, dass der menschliche – insbesondere der weibliche – Körper so stark in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft codiert wurde, dass jegliche Wiedergabe unmöglich geworden sei, obwohl „zu der [...] ,Befreiungskunst' von männlichen Eigenschaften [...] auch die Richtung [gehört], wobei sich Frauen von der gängigen Ästhetik abwandten. Stichwort: Selbst-Inszenierung. [...] Nicht eine Spur von Selbstverliebtheit [...] kein Narzissmus, kein Verlangen, die doch sattsam bekannte und von Männern gemalte Ästhetik des weiblichen Körpers nachzuzeichnen. [...] Sich ungeachtet tradierter, von Männern fixierten Schönheitsnormen zu zeigen, wurde [...] zum Markenzeichen der Frauenbewegung." (5) Eine Möglichkeit, das traditionelle, männliche Bildrepertoire aufzubrechen, bietet die Inszenierung des Selbst als Maske. Die britische Psychoanalytikerin Joan Riviere veröffentlichte 1929 den Aufsatz Womanliness as a Masquerade (6), in dem sie schrieb, dass professionell erfolgreiche Frauen sich gerne ultraweiblich kleiden, um Ängste abzuwehren. Sie sah in dieser zur Schau getragenen Weiblichkeit ein Verhüllen oder Maskieren der männlichen Attribute der erfolgreichen Frauen. Diese Selbstverstellung funktionierte, weil die entsprechende Kleidung als Zeichen natürlicher Weiblichkeit verstanden wurde. „Womanliness is a mask which can be worn or removed." (7) Mit der Metapher Kultur als Performance trat eine Begrifflichkeit in den Vordergrund, welche aus dem Schauspiel stammt: Inszenierung, Spiel, Maske, Spektakel, Bühne. In Goffmans (8) Ansatz wird die Gesellschaft als Theater dargestellt. Er geht von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Person" (lateinisch „persona" = Maske) aus. „Persona" ist die Maske, welche das Selbstbild darstellt, das Selbst, wie es sich nach außen hin präsentieren möchte. Die Maske dient der Produktion und der Behauptung des Selbst. Der physische Körper ist Symbol für den kulturellen Körper. Ihm liegt nicht nur das Verhältnis des einzelnen Menschen zum eigenen Körper zugrunde, sondern auch die darin repräsentierten gesellschaftlichen Strukturen. „Die Soziologie des Körpers ist folglich eine Analyse dessen, wie bestimmte kulturelle Polaritäten durch Festschreibung von Sex, Familie und Patriarchat politisch aufgezwungen werden." (9) Die Hüllen im Striptease können als Metapher für die fallenden Masken gesehen werden. Hinter diesen Masken verbirgt sich nicht die echte Frau, welche ihre Identität sichern könnte. Die Werke zeigen das Paradigma vom Verschwinden des weiblichen Subjekts. Lacan bringt dies mit dem Satz „Die Frau existiert nicht" (10) zum Ausdruck. Die Philosophinnen der Gruppe DIOTIMA widerlegen hingegen diesen theoretischen Ansatz Lacans, der in Freudscher Tradition die Frau aus der symbolischen Ordnung ausschließt, damit, dass die Mutter/schaft den Zugang aller Menschen qua Geburt den Zugang zur symbolischen Ordnung eröffnet.
Petra M. Springer, Einfach weg, in: [sic!] Forum für feministische GangArten, Nr. 40, März 2002, Wien 2002, S. 20-21.
1 Ann E. Kaplan, Ist der Blick männlich, in: Frauen und Kunst, Heft 36, Feb. 84, Frankfurt/Main 1984, S. 45-60. 2 Teresa de Lauretis, Feminism, Semiotics, Cinema: An Introduction, in: Dies.: Alice Doesn't. Feminism, Semiotics, Cinema, Bloomington 1984, S. 4. 3 Elisabeth Bronfen, Frauen sehen Frauen sehen Frauen, in: Frauen sehen Frauen. Eine Bildgeschichte der Frauen-Photographie von Julia Margaret Cameron bis Inez van Lamsweerde. München 2001, S. 17. 4 Elisabeth Voggeneder, Momentaufnahmen der Zeit - Momentaufnahmen des Selbst, Unveröff. Text, Wien 1998. 5 Antje Olivier, Von der passiven Muse zur aktiven Künstlerin. Der homo-erotische Blick von Frauen und seine lange Verdrängungsgeschichte, in: Kunstforum, Bd. 154, Ruppichteroth 2001, S. 213 6 Joan Riviere, Womanliness as a Masquerade, in: Viktor Burgin et al. (Hg.), Formations of Fantasy, London/New York 1999, S. 138. 7 Mary Ann Doane, Film and the Masquerade: Theorising the Female Spectator, in: Sue Thornham (Hg.), Feminist Film Theory: A Reader, New York 1999, S. 138. 8 Erving Goffman, Wir alle spielen Theater, München/Zürich 1983. 9 Bryan S. Turner, The Body and Society, Oxford 1984, S. 41 (Übers. nach Angelica Ensel, Nach seinem Bilde: Schönheitschirurgie und Schöpferphantasien in der westlichen Medizin, Bern 1996). 10 Jacques Lacan, Encore. Das Seminar von Jacques Lacan, Buch XX, nach einem Text von J. A. Miller. Berlin 1986, S. 80. |